SAM GRAF
Ohne Titel, 2012, Glas und Stahl, je 410 x 220 x 80 cm

In seiner für die Ausstellung entwickelten Arbeit bricht Sam Graf die Wahrnehmung des Raumes durch schräg spiegelnde Oberflächen auf und lässt das Auge des Betrachters in einen durch Reflexionen des Lichts in verschiedenste Perspektiven aufgesplitterten Raum eintreten, indem die Übersicht schnell verloren geht. Die glatten, perfekten Oberflächen setzen einen starken Kontrast zur langsam verfallenden Halle, schaffen aber auch eine Art Distanz zur unmittelbaren Auflösung des Raumes, in dem sie den Blick durch die Perspektivenvielfalt verwirren und den Raum durch die transparente Glasschicht entrücken.
Die drei Stahlkonstruktionen entnehmen ihre Form einer ursprünglich nutzorientierten Struktur- einem Wagen, der zum Transport von Glas gedacht ist. Diese Strukturen werden vom Künstler jedoch in einer Weise reproduziert, die sie dem ursprünglichen Nutzen entziehen, da sie weder über Räder verfügen, welche einen Transport ermöglichen würden, noch das Glas vor dem Bruch schützen. Sie dienen als Halter des fragilen Glases und sind dessen Formgeber. Sie thematisieren in ihrer Anordnung das Serielle als auch das Einzigartige, indem sie vom Künstler von Hand zusammengeschweisst wurden und somit Unikate sind. Die Formation besetzt den Raum und eröffnet gleichzeitig neue (Denk)-Räume, indem sie sich einerseits mit der realen Architektur der Halle auseinandersetzt und andererseits in neue Sinn- und Bedeutungsorte entführt.

LILIANE PUTHOD
Abecedaire of the Octotone, 2012, Papier de soie, crayon de charbon, béton;26 x 50 x 62.5 cm; Wall Fresque 3 x 5 m

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Liliane Puthods Werk Abecedaire of the Octotone überschreibt die Wände der Halle mit einem neu entwickelten Alphabet, das zwar vom Bekannten ausgehen mag, welches aber durch Spiegelung und Verdoppelung in eine neue abstrakte Form überführt wird und dadurch für den Betrachter fast unleserlich wird. Die Künstlerin interessiert dabei die Abstraktion, die Raum für neue Inhalte und Interpretationen bietet, sich aber am Gewohnten nicht festmachen lässt.
Ausgehend von den Begriffen POSTANTE (zusammengesetzt aus NACHHER / VORHER) und PERIPARA (HERUM / ENTGEGEN) entwickelt sie ein absurdes Theorem, welches mit folgendem Inhalt an den Wänden wiedergegeben wird:

POSTANTE
SE SITUE
TOUJOURS
AVANT ET
APRES UN
PERIPARA
und:

PERIPARA
CONTIENT
DONC DES
SYSTEMES
DE TROIS
POSTANTE

Der Begriff Octotone im Titel der Arbeit bezieht sich auf die Eigenschaft der Länge der meisten Wörter im Text, die aus acht Buchstabensymbolen zusammengesetzt sind. Es bleibt dem Betrachter überlassen, eine Beweisführung des Theorems anzustreben oder sich zu eigenen neuen Interpretationen der einzelnen Worte und ihrer Bedeutung verführen zu lassen. Die quadratischen Betonblöcke mit dem gesamten Alphabet dienen in ihrer Funktion als Druckvorlage als Lettern für den Wandtext und sind gleichzeitig Körper im Raum.

KLODIN ERB
Raketen, Oil on canvas, 50 x 40 cm, 12 Einzelstücke

von oben rechts nach unten links:
Pegasus; Falcon Heavy; Athena; Atlas V; Conestoga; Delta; Langer Marsch 3; Diamant; Scout; Taurus; Saturn 1; Space Shuttle

Die Motive der Werke der Serie «Raketen», die Klodin Erb für die Ausstellung in der Kathedrale entwickelt hat, beziehen sich auf Kirchen und Kristalle, die miteinander eine malerische Verbindung eingehen. Es handelt sich dabei um formal verwandte Gebilde, die jahrelang gewachsen und Struktur erhalten haben. Beide symbolisieren Schönheit, Luzidität und auch Verhärtung. Durch die Malerei ergibt sich eine Verwandlung,
die Neues entstehen lässt. Die Anzahl der Bilder verweist auf die magische Zahl 12, die viele Bedeutungen
aufweist und sich in der Religion auf die zwölf Apostel bezieht.
Die weisse Wandmalerei bedeutet gleichzeitig Restauration und Vergänglichkeit, da auch sie schon nach kürzester Zeit dem Verfall preisgeben ist. Durch die Bauleuchten, die in sich auch Aufbruch und Abbruch in einem Provisorium symbolisieren, werden die Bilder zum Leuchten gebracht. Das Kleinod wird veredelt und die Umwandlung und Luzidität betont. Gleichzeitig erheben sie die Installation zur Bühne, auf der sich der Betrachter bewegen kann und Teil des Ganzen wird. Der Titel Raketen bezieht sich auf die gemalte Verbindung zwischen kirchlichen Bauten und Kristallen, welche inhaltlich und diskursiv explosiven Zündstoff enthält. Die Titel der einzelnen Bilder entsprechen Namen real existierenden Raketen, die neben der Bezeichnung zugleich ein poetisches Potential haben.

FABIAN CHIQUET 
Prophet 8, 2013, Goldglitzer, Sound, Puppe, Masse variabel

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Fabian Chiquets Arbeit «Prophet 8» thematisiert die Bodenfläche, die mit einer regelmässigen, feinen Schicht aus goldenem Glitter in der Form eines Dreiecks bedeckt wird. Damit ensteht durch das wertvolle Material mit seinem Glanz ein Kontrast zu der heruntergekommenen Architektur und der Glitter ruft die Assoziation eines Festsaals hervor, erinnert doch die Halle an einen verlassenen Ort, der durch illegale Partys besetzt werden kann. Der Glitter erzeugt ausserdem durch das Ober- und Seitenlicht Lichteffekte im ganzen Raum, die sich je nach Lichtsituation ändern. Das Dreieck bezieht sich einerseits auf das christliche Zeichen
der heiligen Dreifaltigkeit und andererseits ist es ein vielbenutztes Zeichen der Popkultur.
Der Streifen beim Eingang des Raumes kann als Schranke verstanden werden, die überschritten wird und den Besucher durch ihre Begehung Teil der Inszenierung werden lässt, indem er seine Spuren durch den Glitter zieht und das Material im Raum verteilt. Wer einmal in Berührung gekommen ist mit dem Goldpigment trägt es aus der Halle hinaus und hinterlässt so feine Spuren auch im öffentlichen Raum. Der Tänzer in der Mitte kann als Fragment eines Partygängers gelesen werden, welcher versteinert in seiner Bewegung verharrt, oder auch als Tänzer, der in seinem Rausch gefangen bleibt. Die für den Raum und die Ausstellung komponierte Musik ist eine Anlehnung an einen Clubtrack, gespielt mit nur einem Synthesizer, einem Prophet V8. Durch den trashigen Sound des Gitarren Amps und dem starken Hall im Raum kreiert die Musik eine träumerische, etwas melancholische Atmosphäre.

ROLAND ROOS 
Babel, 2013, 5 Leuchtbuchstaben

Der Turmbau zu Babel und die babylonische Sprachverwirrung sind die biblischen Symbole für menschlichen Hochmut, göttliche Rache und gesellschaftliche Dekadenz schlechthin.
Andererseits gilt die Geschichte aber auch seit jeher als allgemeinverständliches Gleichnis für die subjektive Welt der Künstlerinnen und Künstler.
Roland Roos interessiert eine künstlerische Haltung, bei der mit vorhandenen Situationen und Materialien eine neue und eigenständige Arbeit realisiert werden kann. Reduktion ist somit ein Kernthema in den Projekten von Roland Roos. Da selbst eine Reduktion nur mittels Produktion erreicht werden kann, werden immer wieder andere Betrachtungsweisen von eingespielten Mechanismen ersichtlich.
Für die Ausstellung BABEL. There’s a Heaven above You!, einer Ausstellungskooperation des Kunstmuseums Olten und der Kathedrale, hat Roland Roos eine ortsspezifische Arbeit realisiert, welche die oben erwähnte Arbeitsstruktur weiter verfolgt.
Wie die Geschichte erzählt, ist unsere Sprachvielfalt auf den Turmbau zu Babel zurück zu führen. Es liegt somit nahe, für diese Ausstellung eine Arbeit zu realisieren, die im weitesten Sinne etwas mit der Sprache zu tun hat. Die Installation «Babel» aus Leuchtbuchstaben aus den Firmenanschriften der in Olten ansässigen Aargauer Kantonalbank, dem Astoria, dem Bornblick, dem Hammer 2 und dem Capitol schreibt den Titel der Ausstellung in den Raum. Dadurch entstehen Lücken im Stadtbild, Begriffe verändern sich und bilden dadurch neue Inhalte. Zu der Installation in der Kathedrale wird eine dokumentarische Fotoarbeit von Roland Roos im Kunstmuseum Olten zu sehen sein, die die Schriftzüge der Firmen und ihre Lücken thematisiert.

VICTORINE MÜLLER 
Ohne Titel, Glasmalfarbe auf 5 Plexiglasplatten, 3 x 2 m; Glasmalfarbe auf 5 Plexiglasplatten, 60 x 40 cm

Ihre räumlich atmosphärischen Untersuchungen weitertreibend, geht Victorine Müller auf den Raum, seine Architektur, Dimension und Ausstrahlung ein. Der hohe Raum der Kathedrale bietet sich für eine kontemplative Installation an. Diese soll den BesucherInnen ein starkes sinnliches Erlebnis
ermöglichen, indem sie mittels Transparenz und Zeichnung im Luftraum, Licht und Lichtfarbe eine sowohl ephemere wie auch dichte Atmosphäre schafft und in die Grenzen des Raumes eingreift.
Der grosszügige Luftraum der Kathedrale wird durch die Installation in stille Bewegung versetzt und strahlt gleichzeitig durch die gezielte Führung des Lichts von oben und hinten eine grosse Ruhe aus. Die mächtigen Platten, die durch die Transparenz wunderbar leicht erscheinen, lenken den Blick nach oben und führen den Betrachter auch physisch durch den gesamten Raum. Gleichzeitig stellen sie in ihrer Perfektion und Klarheit einen Gegensatz zur Baufälligkeit der Kathedrale dar. Ihre Transparenz lässt die Spuren des Verfalls im Raum zu einem Teil des Werks werden.